Wo lebt eigentlich der Schmarotzer Stumpfnasenaal?
Mittwoch, 31. August 2016 | Text: Aslı Güleryüz | Bild: Dirk Gebhardt
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Faszinierend – die Wasserwelt! 70% des blauen Planeten besteht aus Wasser. Warum heißt der Planet eigentlich Erde? Und nicht Wasser? Seit Mai diesen Jahres schippert das Wissenschaftsschiff MS Wissenschaft im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in Deutschland herum und bis Freitag liegt es noch im Deutzer Hafen. An Bord befördert das ehemalige Frachtschiff MS Jenny Die Ausstellung Meere und Ozeane. Schon seit 2003 ist die MS Jenny als Wissenschaftsschiff unterwegs.
Betritt man den Bauch der MS Wissenschaft, fallen einem als erstes die wunderschönen, bunten Bilder an den Wänden auf. Kinder und Jugendliche, die die Ausstellung schon besuchten, haben ihre Eindrücke malerisch festgehalten. Da gibt es Wale, Schiffe, Haie, Schwertfische und nachdenklich stimmende Sprüche. Zum Beispiel Save the Wales.
Auf der MS Wissenschaft gehen die BesucherInnen ab 12 Jahren auf eine Forschungsexpedition. Sie lernen Forschungsschiffe, Forscher & Forscherinnen und die geheimnisvolle Welt der Meere und Ozeane kennen. Sie erkunden Lebensräume wie Küste, Hochsee, Tiefsee oder Eismeer. Spielerisch können die BesucherInnen herausfinden, wie nachhaltiger Fischfang funktioniert. Ausgestattet mit einer Virtual-Reality-Brille können sie in ein tropisches Korallenriff tauchen und im Tiefseekino entdecken, welche Kreaturen in vollkommener Finsternis tausende Meter tief am Meeresgrund leben.
Meere und Ozeane schützen
Wir nehmen an einer kostenlosen, öffentlichen Führungen teil (täglich um 15 und 17 Uhr). Wie können wir das Meer in Zukunft nutzen, damit auch unsere Kinder und Enkelkinder es noch nutzen können? Nachhaltig? Die Ausstellung führt zunächst in die heimischen Meere ein. Ost- und Nordsee. Die Ostsee ist eine Binnensee und dadurch ein abgeschlossenes System. Welche Probleme bringt das mit sich? Wir lernen den Dorsch kennen, der an der Nordsee Kabeljau heißt. Er ist rar geworden durch Überfischung. Wie können wir gezielt fischen, ohne zu viele Jungfische zu fangen? Die Jungfische müssen ja neue Eier legen. Ein riesiger Globus steht im Raum. In bunten Linien sind die Kontinente über die Meere und Ozean miteinander verbunden. Die bunten Linien repräsentieren Transportwege. Alles ganz schön bunt hier. Etwas beängstigend. Sehr viele Schiffe sind da unterwegs. So viel Transport bringt bestimmt auch Probleme mit sich. Eines davon sind die Organismen, die mit dem Ballastwasser oder vom Rumpf der Schiffe in anderen Ökosysteme eingeschleppt werden. Und dort verheerende Sachen auslösen können. In einem kleinen Aquarium wird demonstriert, wie man das Problem der blinden Passagiere an den Transportschiffen lösen könnte. Anhand eines Strom leitenden Lacks könnten die Organismen am Einnisten gehindert werden. Wir sind beeindruckt.
Müll-Teppiche
Wir stehen vor einem leuchtenden Tisch. Die Erde ist mit ihren Ozeanen und Meeren dargestellt. An verschiedenen Stellen leuchten Symbole auf. Klickt man auf ein Symbol, erfährt man zum Beispiel jede Menge über Müll-Teppiche. Die Menschheit produziert rund 3,5 Millionen Tonnen Abfall pro Tag und es wird immer mehr. Ich bin geschockt! Das ist verdammt viel Müll! Was passiert mit dem Müll? Er schwimmt in den Meeren und Ozeanen umher und verbindet sich zu riesigen Müll-Teppichen. Einer hat die doppelte Fläche von Deutschland. Eine Zeitung braucht 3 Monate, bis sie sich aufgelöst hat. Eine Aluminiumdose 200 Jahre und eine Plastikwindel oder eine Plastikflasche 450 Jahre! Doch der Plastikmüll zerfällt nicht komplett. Er löst sich in kleine Teile auf Mikroplastik. Forscher der Universität Basel haben den gesamten Rhein untersucht und nach Plastikpartikeln gesucht. Sie errechneten, dass rund zehn Tonnen Plastik jährlich im Rhein landen. Das gilt als die höchste je gemessene Konzentration von Mikroplastik in Meereszuflüssen, heißt es in einem Beitrag des Deutschlandradiokultur im Juli diesen Jahres. Es gibt wenig internationale Kooperation, um dieses Problem zu lösen. An diesem Punkt diskutiert die Gruppe rege. Ca. 15 Teilnehmer der Führung unterhalten sich über die 29.000 gelben Badeenten, die mal im Ozean gelandet waren. Nur 1.000 von ihnen wurden gefunden.
Der Schmarotzer Stumfnasenaal
In unserer Gruppe sind auch Nils (12) und seine Schwester Lucy (8) mit ihrer Mutter Wilma. Sie sind fasziniert von der noch wenig erforschten Tiefsee. Ab 200 Metern ist es dort dunkel. Aber da unten gibt es jede Menge Leben. Es spielt sich langsam ab dort, das Leben. Es gibt nur wenig Nahrung. In ca. 1.100 Meter Tiefe findet man die skurrilsten Lebewesen. Zum Beispiel den Schmarotzer Stumpfnasenaal. In einem großen Glas kann man ihn betrachten. Seine Heimat sind die Azoren. Nils und Lucy fassen das Glas an. Als ihre Mutter ihnen von der Ausstellung erzählt hat, wollten sie sofort hin. Und so sind sie am Dienstag aus Bayenthal nach Deutz gekommen. Nils erklärt seine Begeisterung so: Der Ozean ist die Lebensgrundlage für alles Leben. Er ist wunderschön. Die Hinterseite des Mondes ist mehr erforscht als die Tiefsee. Mein Traum ist es, Forscher zu werden. Vielleicht Meeresbiologe oder Archäologe. Ich würde gerne in der Tiefsee forschen.
Wir unterhalten uns über das ganze Plastik im Ozean. Was können wir selber dagegen tun? Lucy hat eine Idee: Wir sollten mehr wiederverwerten. Nils fügt hinzu: Meine Tante macht Taschen aus Plastiktüten. Wir zerstören unseren eigenen Lebensraum. Wir sollten im Supermarkt nur Sachen kaufen, die aus der Nähe kommen. In Rodenkirchen am Rhein hat er auch schon viel Müll entdeckt, erzählt er weiter: Mein Freund und ich sind mal nach Silvester am Rhein entlang gegangen. Da haben wir ganz viel Raketen- und Knallermüll gefunden. Ich frage, ob er bereit wäre, weniger Plastikspielzeug zu kaufen. Nein, antwortet er vehement, das dann nicht! Aber man braucht nicht jedes Jahr ein neues Smartphone. Ich benutze das alte von meiner Mutter. Mutter Wilma ist zum ersten Mal auf einem Wissenschaftsschiff: Als ich über die Ausstellung gelesen habe, hat es mich sofort interessiert. Und auch die Kinder wollten unbedingt hierhin kommen.
Die Virtual-Reality-Brille ist natürlich das Highlight. Nils und Lucy sind begeistert. Mit der Brille taucht man in ein Korallenriff ein und steuert sich durch die Unterwasserwelt. Eine freundliche Stimme erzählt einem über den Kopfhörer jede Menge über die Lebewesen, denen man begegnet. In der Ausstellung kann man
futuristische Kunstlebewesen sehen, die sich dem Plastikmüll angepasst haben: Sie verwerten das Plastik als Nahrung. Dazu gibt es viele Informationen über die Bedrohung der Korallenriffe oder über den Klimawandel. Zum Schluss können die Besucher im Labor noch ein Expeditons-Foto als Andenken schießen.
Nachdenklich werden
Dominik Auch hat uns durch die Ausstellung geführt. Der Meeresbiologie-Student konnte uns jede Menge Wissen vermitteln. Das ist jetzt seine fünfte Woche auf der MS Wissenschaft. Es gibt zwei Wochen lange Dienste, dann eine Pause, dann wieder zwei Wochen Dienst, dann wieder Pause, dann wieder zwei Wochen Dienst. An Bord gibt es immer fünf Lotsen, die über Forschung, Wissenschaft oder Meere studieren. Die Lotsen betreuen die Ausstellung und leiten die Führungen: Beim Thema Plastik stelle ich starke Betroffenheit und Reaktionen bei den Besuchern fest. Viele Leute sagen zwar nicht direkt etwas, aber sie werden nachdenklich, wenn sie an den Exponaten stehen. Viele stellen Fragen. In den Schulzeiten kommen viele Schulklassen in die Ausstellung.. Und das ist gut so.
Mehr im Netz
ms-wissenschaft.de
MS Wissenschaft – Meere und Ozeane
Deutzer Werft
31.08. 02.09.2016
10:00 19:00 Uhr
Eintritt frei
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