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Bürgerbeteiligung Parkstadt Süd Politik

Zauber des Anfangs?

Montag, 11. Mai 2015 | Text: Gastbeitrag | Bild: Doro Hohengarten

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Morgen steigt Nr. 1 von vier Themenabenden im Rahmen der ersten Phase der Bürgerbeteiligung zur Entwicklung der Parkstadt-Süd, also dem 115ha großen Gebiet vom Eifelwall über den scheidenden Großmarkt, die Bonner Straße, das ehemalige Dombrauerei-Gelände hinweg bis hinunter zum Rhein. Titel dieses auf drei Stunden angesetzten Themenabends ist „Lebendige Quartiere“, in acht Arbeitsgruppen könnt Ihr mit diskutieren
Am 18. April gab es mit einer ganztägigen großen Veranstaltung in der Uni-Mensa und verschiedenen Spazierrouten durch´s Entwicklungsgebiet den Auftakt für die Bürgerbeteiligung. Zur Begrüßung betonte  Baudezernent Franz Josef Höing, sie sei beispiellos für Köln und definitiv keine „Alibi-Veranstaltung, sondern ernst gemeintes Bemühen, die Komplexität des Themas zu durchdringen und gemeinsam als Stadtgesellschaft Visionen und Lösungen für die Entwicklung dieses Stücks Stadt zu erarbeiten.
Wir haben zwei TeilnehmerInnen des Auftakts um ihre Eindrücke von diesem ersten Tag der Bürgerbeteiligung gebeten.

 

 

Es lag wohl am spröden Charme der Uni-Mensa, dass beim morgendlichen Auftakt zur Bürgerbeteiligung Parkstadt-Süd nicht unbedingt ein „Zauber des Anfangs“ zu spüren war. An seinem nachmittäglichen Ende hätte man, positiv überrascht, durchaus „Du bes Kölle“ singen können – und zwar mit neuer Strophe. Denn dieser „Kick Off“ war so wie ein europaweit beachtetes Stadtentwicklungsverfahren es eben verdient hat: sorgfältig und ressortübergreifend vorbereitet, für den Anfang hinlänglich informativ und transparent organisiert, gut besucht und mit fachkompetenter und konfliktkonstruktiver Beteiligung. Sein „Veedel“ bei den informativen Rundgängen und deren (allerdings teilweise pointierungsbedürftigen) Reports am Nachmittag genauer bzw. mit perspektivischen Blick kennen zu lernen, war wirklich eine besondere Chance. Die dabei deutlich werdende Expertise aller Beteiligten macht neugierig auf die anstehenden Themenabende im Mai.

Bei diesem Lob an alle Beteiligten vergisst der aufgeklärt-selbstkritische Kölner Lokalpatriot natürlich nicht die Mängel, die hoffentlich nur dem Anfang geschuldet sind. Auf dem Wunschzettel für die anstehenden „Spaziergänge in die Zukunft“ stehen: eine interaktive Website, die Beteiligung von Bürgern, Sozialpolitikern, Stadtsoziologen, Verkehrsexperten und Ökonomen im Begleitgremium sowie Transparenz und Zugang zu planungsrelevanten Daten und Studien. Doch dieser Wunschzettel ist wahrlich nicht nur an die Stadt und ihre Verwaltung zu richten: Wann, wie öffentlich und lernoffen werden sich beispielsweise auch Projektentwickler, Investoren, Verbände und andere „Schlüsselakteure“ an diesem Experiment beteiligen? Und auch die Bürgerexpertise wird sich kaum auf ortskundige „Südstadtexpertise“ beschränken können. Nicht nur bei den geforderten zielgruppengerechten Beteiligungsformaten für Kinder, Jugend und Migranten gibt es eine Hol- und Bringschuld für alle.

Schon der diesjährige Weg bis zum integrierten Plan verlangt von allen eine robuste Lust auf Zukunft. Man sollte sich also, wie Stadtdezernent Höing geraten hat, nicht viel anderes vornehmen.

Martin Birke ist Soziologe und wohnt auf der Goltsteinstraße.

www.re-cognito.org
 

 

Das Großmarktgelände ist das Filetstück der künftigen Parkstadt Süd. Nirgendwo sonst wird so viel gebaut werden, kein anderes Gebiet lässt so viele Fantasien sprießen wie dieses Gewirr aus Straßen, Zufahrten, Hallen und Gebäuden.

Kein Wunder, dass sich unter die Gruppe von Rundgang-Teilnehmern Projektentwickler gemischt haben. Die von „Moderne Stadt“ sind da: Die Rheinauhafen-Macher von einst wollen die Parkstadt-Macher von morgen sein.

Ich denke: Oh no. In meinen Augen ist der Rheinauhafen ein sozial und ökologisch misslungenes Stadtbauprojekt. Der Rheinauhafen lebt nicht, und das aus purem Kalkül. Ich traue diesen Leuten nicht zu, einen lebendigen, lebenswerten und nachhaltig durchdachten Stadtteil zu wollen.

In diesem Prozess wird es darum gehen, wer wann die richtigen Infos hat – und wer die überzeugendsten Visionen. Einige wichtige Infos (wem gehört hier welches Stück Land, wie lange gehen die Mietverträge zu welchen Konditionen?) haben diese Projektentwickler längst: Ihr Chef ist der bestens informierte Ex-Baudezernent Bernd Streitberger, dessen ehemaliger Referent, Andreas von Wolff, als ebenso gut informierter Rentier hier mitläuft und Auskunft gibt.

Uns teilnehmenden Bürgern wird das Wissen nur häppchenweise und in kleinen Ausschnitten zur Verfügung gestellt. Das liegt schon am Aufbau der Route. Die „Scouts“ führen uns nicht direkt auf das Marktgelände, sondern erstmal außen herum, den gesamten Bischofsweg entlang.  Erst nach einer halben Stunde gelangen wir zum Haupteingang. Wir haben keine Zeit, uns das gesamte Gelände anzuschauen, uns einen Überblick über das Innenleben des Markts zu verschaffen.

Dafür wartet eine Flut von Infos über die Großmarkthalle auf uns: Der ehemalige Marktvorsteher und der Denkmalschützer der Stadt berichten von der architektonischen, historischen und wirtschaftlichen Bedeutung des 1936 erbauten Gebäudes, das teilweise auf einem ehemaligen jüdischen Friedhof steht. Was immer auch die imposante Beton-Hülle mit dem maroden Keller eines Tages beherbergen wird – ob Jugendzentrum, Bauernmarkt, Museum, Multizweckhalle, Einkaufsmall oder alles zusammen – es wird das Herz des neuen Stadtteils sein.

Ein Blick noch auf den Bunker, die Info, dass östlich der Halle im Boden das geschliffene „Fort Nikolaus“ vermutet wird – dann ist die Zeit schon um.

Wir haben mit keinem der mehr als 5000 Menschen gesprochen, die hier täglich arbeiten. Wir haben mit keinem Mitglied des Schützenvereins geredet, die den Bunker von innen kennen. Wir haben nicht mit den Bewohnern der Übergangswohnheime entlang der Marktstraße gesprochen. Wir haben keinen der zahlreichen Künstler getroffen, die auf dem Großmarkt ihr Atelier haben. Und wir haben nicht diejenigen kennengelernt, die hier angeblich illegal wohnen.

Werden sie im Laufe der Bürgerbeteiligung noch eine Stimme bekommen?
 

Dorothea Hohengarten lebt seit 1995 in der Südstadt, sie ist Reporterin, Moderatorin und freie Autorin. Sie engagiert sich gegen Gentrifizierung und für ein sozial gerechteres, nachhaltigeres Köln.

 

 

Text: Gastbeitrag

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