Zentrale unter Null
Montag, 27. August 2018 | Text: Reinhard Lüke
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Wenn ich so die Aktivitäten in unserer facebook-Gruppe sehe, werde ich den Verdacht nicht los, das Leben läuft gerade mal wieder total an mir vorbei. Ich finde keine verwaisten Igel-Babys, treffe weder nette Busfahrer mit dunkler Hautpigmentierung noch Rentner mit rassistischem Grundrauschen. Mein Stubentiger kommt von seinen nächtlichen Ausflügen (bislang) immer brav zurück und bringt mir oft netterweise noch eine Maus mit. Und zu verkaufen habe ich eigentlich auch nix. Nichtmal Teebeutel.
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Meine Südstadtpartner
TorburgPlastik am Weidenkörbchen
Hellseher bin ich auch nicht. Aber manchmal kann ich kollektive Entrüstungen voraussagen. Beispielsweise bei der Kunstaktion „Forks in the City“ von Angie Hiesl und Roland Kaiser, für die auch in der Südstadt geprobt wurde. Plastikgabeln im öffentlichen Raum! Logisch, dass es da in den Netzwerken helle Empörung in Richtung Ressourcenverschwendung gab. Und überhaupt: Plastik. Igitt. Meine Güte, was sind ein paar Hundert Gabeln, die anschließend wieder eingesammelt und fachgerecht entsorgt wurden, gegen die Tonnen an Mikroplastik, die sich Menschen in Form von Shampoo oder Kosmetik täglich in die Haare, bzw. das Gesicht schmieren? Da produzieren doch allein die Südstadtdamen, die ihre Weidenkörbchen am Fahrradlenker gern mit Blumengirlanden aus Kunststoff umwickeln, mehr Plastikmüll. Hätten Hiesl und Kaiser ihr Werk nicht als Kunst sondern als Protestaktion gegen die Vermüllung der Städte etikettiert, wäre ihnen einhelliger Zuspruch sicher gewesen.
Äpfel in der Tüte
Aber es gibt ja auch echte Fortschritte in ökologischer Hinsicht. Ist doch prima, dass die meisten Discounter inzwischen nicht nur aber auch unverpacktes Obst und Gemüse feilbieten. Was von den Kunden meiner Beobachtung nach auch gut angenommen wird. Rätselhaft bleibt indes, warum die Leute dann unverpackte Äpfel, Zucchini oder Paprika in Plastiktüten verpacken, die sie zuvor von einer dieser, an den Regalen angebrachten, Rollen abgerissen haben. Bei Kirschen und von mir aus auch Aprikosen kann ich das ja noch nachvollziehen, aber sonst? Geht da die Angst vor den Händen der Menschen hinter den Kassen um? Die hantieren doch ständig mit den schmutzigen Scheinen und Münzen. Die sollen mir beim Abwiegen doch nicht mein Obst vergiften! Oder was soll das?
Post vom Finanzamt
Alle Jahre wieder kommt im Sommer Post von meinem Finanzamt am Weidenbach. Darin weist man mich darauf hin, dass ich den Abgabetermin für meine Steuererklärung versäumt hätte und diese umgehend nachreichen soll. Das Prozedere ist jedes Mal dasselbe. Ich rufe da an, teile mit, dass ich meine Erklärung seit mindestens 20 Jahren von meinem Steuerberater erstellen lasse und in diesem Fall ja wohl andere Abgabetermine gelten. Am anderen Ende der Leitung kommt dann meist ein „Ach sooo…“ und der Sachbearbeiter lässt wissen, diesbezüglich einen Vermerk in meiner Akte machen zu wollen. Was er aber aus unerfindlichen Gründen irgendwie dann doch nicht schafft.
Jedenfalls kam vor ein paar Tagen die übliche Post vom Amt. So ein standardisiertes Schreiben ohne Unterschrift und ohne die Durchwahlnummer eines Mitarbeiters, an den ich mich bei Nachfragen wenden sollte. Also blieb nur die Nummer der Zentrale mit der Null am Ende. Und da ertönte alsbald eine freundliche Damenstimme vom Band: „Der von Ihnen gewünschte Gesprächspartner konnte Ihren Anruf leider nicht entgegennehmen. Die Zentrale erreichen Sie unter der Null.“ Hatte ich das gerade richtig verstanden? Gleich nochmal gewählt und dieselbe Nonsens-Auskunft erhalten.
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Meine Südstadtpartner
Stadtgeschichten Köln – Besondere StadtteilführungenDa mir im Schreiben des Amtes kein Gesprächspartner angeboten wird, kann ich mir auch keinen wünschen und rufe ja deshalb die Zentrale an, die mich auffordert, doch bitte die Zentrale anzurufen. Nun, es war schon 15 Uhr 30, das Amt hatte womöglich bereits kollektiv die Arbeit niedergelegt und, um Anrufer ein wenig zu erheitern, diese betont witzige Ansage geschaltet. Neuer Versuch am Morgen danach, so gegen 10 Uhr. Dieselbe Auskunft. Was tun? Ansichtskarte schreiben oder einen kleinen Spaziergang machen und persönlich vorstellig werden? Nicht nötig. Schließlich geht mein Finanzamt mit der Zeit und hat eine Faxnummer. Also habe ich meine Mitteilung zu Papier gebracht und faxen lassen. (Wer hat heute noch ein Faxgerät daheim!?). An die im Briefkopf angegebene Nummer. Gehe davon aus, das Gerät steht auch irgendwo in der Zentrale mir der Null. Ob mein Schrieb inzwischen einen dieser Menschen erreicht hat, die mir alljährlich ankündigen, einen Aktenvermerk machen zu wollen, weiß ich nicht. Ich werde sicherheitshalber mal das Sendeprotokoll aufheben, falls da in Bälde eine neuerliche Mahnung mit Säumniszuschlag ins Haus flattert.
WDR enthüllt: Tote singen nicht
Am Samstag wollte ich während der Zubereitung des Abendessens ein wenig auf dem Laufenden über die Partie Gladbach gegen Bayer bleiben und schaltete deshalb den Dudelfunk WDR 2 ein. Da klang gerade ein Song von George Michael aus. Im Anschluss ließ die unbändig gut gelaunte Moderatorin wissen, dass der Sänger doch einigermaßen überraschend vor knapp zwei Jahren verstorben sei. Aber, fügte sie hinzu, den eben gehörten Song habe er noch zu Lebzeiten eingespielt. Echt jetzt? Und ich wundere mich jedes Mal, wenn ich Sinatra oder Miles Davis höre, wie das geht. Die sind doch tot und erklingen trotzdem im Radio. Noch zu Lebzeiten eingespielt. So also läuft der Trick. Für solche Infos zahlt man doch gern Rundfunkgebühren. Und für die dreistündige Live Übertragung des Schützenumzugs in Neuss im WDR Heimatfernsehen am Sonntag sowieso.
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