Zigeunernächte…
Freitag, 27. November 2015 | Text: Judith Levold | Bild: Tamara Soliz
Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten
…bringen einmal im Quartal die reiche Musik-Tradition dieser ehemaligen Wandervölker in die Südstadt. Für viele eine erste Begegnung mit der Kultur von Zigeunern, jenseits von Klischees wie KlauKids oder Arpad der Zigeuner.
Ein kölscher Zigeuner sei er, sagt Sinto Markus Reinhardt von sich, denn er ist, wie bereits sein Vater, in Köln geboren. Seine weitläufige Familie -vielen bekannt durch seinen Onkel, Jazzer Django Reinhardt- lebte ursprünglich im Elsass, bevor die eine Hälfte Richtung Brüssel und Paris, die andere nach Köln wanderte.
Lange lebten die Zigeuner in Köln in Baracken in Bickendorf auf dem so genannten Schwarz-Weiß-Platz, bevor sie im 2. Weltkrieg fast komplett deportiert und die meisten von ihnen in KZs umgebracht wurden. Die, die zurückkamen, quartierte die Stadt auf einem Feld in Roggendorf -geschmackvollerweise- in Eisenbahnwaggons ein, wo dreißig Familien ohne Sanitäranlagen und mit einer Müllkippe gegenüber bis 1975 lebten.
Uns wollte ja keiner sagt Markus Reinhardt und fügt hinzu für uns Kinder war das toll, alles kein Problem, wir lebten draußen wie auf einem riesigen Abenteuerspielplatz. Doch in den Waggons sei es bitterkalt oder wahlweise brüllend heiß gewesen, es gab zehn Wasserhähne für alle Familien, aber die Übung mit dem Nichtgewolltsein und dem Zurechtkommen auf kleinstem Raum habe die Werte der Zigeuner nur bestärkt Bei uns steht die Familie, das Aufeinanderachtgeben, an oberster Stelle. erzählt er, und seine Schwester Nina, jüngstes der fünf Geschwister Reinhardt, nickt bestätigend. Die beiden sitzen am Küchentisch ihrer ältesten Schwester am Fortuinweg 9 in Roggendorf – diese Siedlung mit 18 Häuschen baute die Stadt in den 70er Jahren für ihre Zigeuner und die meisten von ihnen bzw. ihre Nachkommen, leben noch heute hier.
In Nummer 10 sind Nina und Markus noch aufgewachsen, wie bei allen Familien prägen Wohnwagen vor der Tür und ein Hausaltar im Garten das Bild. Die jungen Leute blieben am liebsten hier, aber die Siedlung platzte irgendwann aus allen Nähten lacht Markus, und so zogen viele, auch er selbst, in Wohnungen in der Nähe, meist einen Ort weiter. Das Reisen betreiben sie nur noch im Urlaub unsere Kinder gehen zur Schule wie alle anderen auch. betont er. Er selbst natürlich reist viel, als Berufsmusiker. Erst kürzlich war er geladen, die Audienz von Papst Franziskus anlässlich von 50 Jahre Zigeunerwallfahrt in Rom musikalisch zu gestalten. Sei er aber wieder zurück und lasse sich nicht sofort blicken in der Siedlung, dann werde schnell nach ihm gefahndet, wie er lächelnd berichtet.
Die Musik ist quasi der Markenkern der Zigeunerkultur aber davon kennen die meisten Menschen nicht so viel. Es gibt ja sehr unterschiedliche Musik- und Tanz-Stile bei uns, ungarische Zigeuner machen andere Musik als spanische oder deutsche ich habe zum Beispiel mit meiner Band deutsches Liedgut im Repertoire, Hilde Knef etwa. erklärt Markus Reinhardt. Und genau wie ihre Sprache Romanes, wird auch die Musik bei Zigeunern in der Regel ohne Schrift überliefert. Er selbst habe als Kind abends beim Zusammensitzen zu musizieren begonnen und erst mit 17, 18 Jahren über ein Projekt mit Maurizio Kagel den Ehrgeiz entwickelt, Noten zu lernen. Der Unterricht bei einem Paganini-Preisträger aus dem WDR-Orchester sei harte Schule gewesen -bis zu dieser Zeit habe er, wie die meisten, nur nach Gehör gespielt- und sein Vater habe immer gesagt So macht man doch keine Musik!. Doch für ihn sei das nur Bereicherung gewesen: Die Musik im Blut und im Ohr mit der vom Noten-Blatt zu kombinieren habe ihn stärker und vielseitiger gemacht.
Diese musikalische Tradition und die Tradition des Erzählens, der Familie, des Zusammenhaltens und Feierns der Vielseitigkeit, wolle er in die Mitte der Gesellschaft transportieren darum auch die Zigeunernächte und das große Zigeunerfestival, das wir am liebsten jedes Jahr veranstalten würden!.
Mehr im Netz
Mehr zur Zigeunernacht am 27.11.15, 20h in der Lutherkirche hier.
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